Was steckt hinter Chateau Boeuf von REWE?
*WERBUNG* REWE bewirbt französisches Qualitätsfleisch unter dem Namen „Chateau Boeuf“. Aber wieviel französische Qualität steckt wirklich in dem Fleisch?
Besonders bei abgepacktem Supermarktfleisch bin ich immer skeptisch, weil die meisten Produkte wegen des stetigen Preiskampfes fast ausschließlich Jungbullen aus Massentierhaltung sind. Diese Tiere können nur wenig guten Eigengeschmack entwickeln und haben meistens auch kein artgerechtes Leben. Leider sind neben der SB-Ware auch viele Fleischtheken in den Supermärkten größtenteils mit derartigem Jungbullenfleisch ausgestattet: Das ist zwar mager, aber erstmal relativ zäh und muss dadurch so lange im Vakuum gereift werden, bis sich der Eigengeschmack ins steinige und metallische verändert hat. Vom gutem Rindfleischgeschmack selbst ist dann fast nichts mehr zu schmecken. Zwar setzt man auch im Einzelhandel zunehmend auf Regionalität, dem Geschmack ist das häufig aber leider nicht wirklich dienlich. Erstmal ist die “schnelle” Aufzucht und das junge Mastalter verantwortlich für einen „milderen“ Geschmack, neben diesem generellen Faktor gibt es aber ein weiteres Problem: Wenngleich es in Deutschland unzählige, eigentlich ausländische Rinderrassen (wie z.B. Limousin, Charolais, Black Angus und sogar Wagyu) gibt, sind diese nur selten reinrassig und damit in ihren geschmacklichen Eigenschaften häufig verfälscht. Schon das „Versetzen“ einer Rasse aus ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet verändert den Fleischgeschmack, weil sich die Tiere über Jahrhunderte an die klimatischen Bedingungen ihrer ursprünglichen Heimat angepasst haben; darum schmeckt ein deutsches, reinrassiges Angus auch ganz anders als ein schottisches Angus.
Mit den Produkten von Chateau Boeuf soll jetzt nicht nur reinrassige, sondern auch ursprüngliche Ware mit französischer Herkunft im Einzelhandel zu finden sein. Ich wurde von den netten Menschen der Agentur Seidl eingeladen, diese Herkunft und die Qualität zu prüfen und habe die Einladung natürlich dankend angenommen. Die Vorabrecherche über Chateau Boeuf im Internet war relativ ernüchternd, es gab bisher nicht wirklich viel fachbezogenen Content. Neben einigen Erwähnungen in Foren blieb am Ende nur die offizielle Homepage von Chateau Boeuf. Dort fand ich sechs Punkte, die als besondere Qualitätsmerkmale herausgestellt wurden:
- 100% pflanzliche Ernährung der Jungbullen, mineral- und vitaminhaltig
- Ständige unabhängige Kontrollen
- In Frankreich geborene, gehaltene und geschlachtete Jungbullen
- Garantierte Rückverfolgbarkeit der Jungbullen von der Geburt bis zur Verkaufsstelle gemäß den Vorschriften
- Garantierte Reifedauer für Barbecues und Bratenteilstücke
- Ausgewählte Fleisch- und Zweinutzungsrassen, keine reinen Milchrassen
Diese Punkte behielt ich im Hinterkopf und startete ohne weitere Vorbereitung und mit eingerostetem Französisch die Reise. Ob diese Merkmale auf die Produkte wirklich zutrafen, möchte ich Euch in den nächsten Zeilen erzählen.
Tag 1 – Anreise und ein Bauernhof im Nirgendwo
Ende April saß ich dann früh morgens im Flieger nach Paris, mit an Bord war eine bunt gemischte Runde aus Blogger und Journalisten namhafter Magazine. Nach der Ankunft im Hotel gab es dann erstmal ein großartiges Mittagessen.
Nach einer kurzen Erholungspause folgte die Vorstellung der Marke “Chateau Boeuf” und der Philosophie dahinter. Hier wurden die oben erwähnten Qualitätsansprüche erläutert und Bezugsquellen, Infrastruktur, Mengenangaben zur Schlachtung und viele andere interessante Daten offen gelegt – Auf mich wirkte die kurze Vorstellung transparent, die eigenen Ansprüche werden ambitioniert verfolgt.
Mit dem Wissen um die theoretischen Produktionsablauf stand dann der Besuch bei einem Bauern an, dessen Rinder erst in die Verarbeitung vor Ort und anschließend in den Export nach Deutschland gehen.
Im Fokus standen besonders die auch in Deutschland bekannten Rasse “Limousin” und das “Blonde d’Aquitaine”, wenngleich es in Frankreich unzählige regionale Rassen gibt. Einige der bekanntesten, wie z.B. das Charolais, das Normande und das Salers sind ebenfalls in der Produktpalette von Chateau Boeuf enthalten. Herausfinden lässt sich die Rasse über das Label in der Vakuumverpackung.
Vorab: Ich wohne zwar seit rund zehn Jahren in Köln, bin aber im ländlichen Gebiet der Voreifel groß geworden und kenne daher die Realität der Tierhaltung seit dem Kindesalter. Die Begebenheiten auf fast allen kleinen Höfen sind, verglichen mit der Massentierhaltung im Billig-Segment, sehr gut und artgerecht – Auch der Nicht-Bio-Bauer in Deutschland sorgt sich in der Regel sehr um das Wohl seine Tiere und kümmert sich, den Tieren ein gutes Leben zu ermöglichen. Leider hat aber auch der leidenschaftlichste Bauer durch die schwarzen Schafe in der Massenproduktion (insbesondere von Schweinefleisch) leider häufig ein unbegründet schlechtes Image.
Geschönte Realität?
Wir alle kennen vornehmlich Negativberichte über die industrielle Tierzucht. Man hätte deswegen durchaus erwarten können, dass uns ein Vorzeige-Bauernhof mit total verzerrter “Unsere kleine Farm”-Romantik gezeigt wird, um das schlechte Image der Viehzucht aufpolieren zu können.
Das war aber überraschenderweise nicht der Fall. Es war die ehrliche Realität, in der fünf oder sechs Tiere in 40m²-Boxen im Stall stehen. Runtergerechnet sind das rund 7 m² freie Fläche pro Rind, was eigentlich auch erstmal nicht viel zu sein scheint. Verglichen mit durchschnittlich weniger als 3 m² Fläche pro Tier in der Massenzucht ist das aber mehr als doppelt so viel Platz. Im Traumland haben alle Rinder weite Wiesen und riesige Ställe, im echten Leben steht aber immer ein Problem im Raum: Die Kosten.
Auch Bauern müssen wirtschaften.
Einen Stall zu bauen und mit Leben zu füllen ist nicht ganz billig. Grundsätzlich gilt: Je größer die Zucht, desto größer der Absatz, desto größer der Gewinn. Neben dem zusätzlichen Zeitaufwand durch höhere Quantität kommen natürlich auch noch laufende Kosten für Stroh, Wasser, Tierarzt und viele andere Faktoren hinzu.
Die Futtermittel sind dabei auch kein unwichtiges Stück vom Kosten-Kuchen. Je weniger aufgenommene Kalorien für den Energieaufwand durch viel Bewegung “verloren” gehen, desto günstiger ist die Zucht. Viel Bewegung der Tiere ist in der Folge für den Bauer auf Dauer eine Kostenquelle, die er vermeiden möchte. Je wärmer der Stall ist, desto geringer ist der Kalorienbedarf z.B. für das Halten der Körperwärme.
Auch die Zusammenstellung und Qualität des Futters kann je nach Anspruch stark variieren. Es gibt viele Stellschrauben für Bauern, um möglichst wirtschaftlich zu arbeiten, meistens leidet darunter das Tier und damit natürlich auch die Fleischqualität. Auf diesem für Chateau Boeuf produzierenden Hof werden neben üblichen Kraftfuttermischungen als Beifutter aber vorallem Heu und Maissilage aus eigener Produktion verfüttert, die in einem großen Silo auf dem Hof gegoren werden. Durch die „Vorzersetzung“ können die Inhaltsstoffe von den Rindern besser verwertet und Faserstoffe leichter verdaut werden. Das macht die Silagenfütterung i.d.R. zu einer Win-Win-Situation für Mensch und Tier.
Mein erster Eindruck vom Hof: Verglichen mit der Realität in Großbetrieben der ganzen Welt sind die Lebensumstände für die von uns besichtigten Rinder alles andere als schlecht. Zugegeben: Würden wir uns Mastgänse ansehen, wäre das unter dem Aspekt “Tierwohl” natürlich eine unschöne Seite Frankreichs. Nichtsdestotrotz sind uns die Franzosen in der Rinderzucht einen Schritt voraus, wenngleich es in Frankreich natürlich auch Massentierhaltung von Rindern gibt. Ein Großteil des Fleisches auf französischen Tellern stammt dennoch aus ländlicher, nachhaltiger Zucht.
Essen die Franzosen also allgemein besseres Fleisch?
Ja, die Franzosen essen besseres Rindfleisch. Das hat aus meiner Sicht mehrere Gründe.
Erstmal ist die Fleisch- und Steak-Kultur in Frankreich dem allgemein deutschen Verständnis von “gutem Fleisch” weit voraus. Das französische Konsumverhalten bei Rindfleisch neigt eher zu dunklen Stücken mit stärker marmoriertem, saftigerem und geschmacksintensiverem Fleisch von Färsen und älteren Tieren. In Deutschland wird hingegen häufig mageres, blasses und dadurch weniger aromatisches Fleisch an der Theke gewünscht. Der in Frankreich entstehende Überschuss an Jungbullen findet in Deutschland aufgrund seiner mageren Eigenschaften viele Abnehmer. Der deutsche und der französische Markt ergänzen sich hier also ganz gut.
Ein weiterer Punkt ist für mich, dass die Franzosen auf eine lange Handels-und Zuchtgeschichte mit etlichen weltweit gefragten Rinderrassen zurückblicken. Die Merkmale französischer Rassen sind auch in Deutschland häufig „zugezüchtet“, z.B. um die mageren Eigenschaften vom Limousin zu erhalten. Das hat natürlich auch Einfluss auf den charakteristischen Geschmack. Ein großer Pluspunkt an französischem Fleisch ist daher die Reinrassigkeit, Ursprünglichkeit und damit auch der Geschmack der traditionsreichen, aber unverfälschten Rassen. Hier spielt auch die ursprüngliche Regionalität mit rein, dass z.B. ein „Normande“ aus der Normandie intensiver schmeckt, als ein reinrassiges Normande aus Bayern, wurde ja schon erklärt.
Punkt Nr. 3: Die Franzosen können verdammt gut kochen, verstehen etwas von Genuss und sind auch bereit, dafür angemessen zu zahlen. In Deutschland grillt eigentlich fast jeder hingegen möglichst billige marinierte Nackensteaks und Würstchen vom Discounter.
Mit der Rückkehr ins Hotel konnten dann die ersten Impressionen etwas sacken. Pure Ironie: Auch beim Abendessen in Le Mans stand kein Rindfleisch auf der Menükarte. ;-) Es gab Lachstatar, Hühnchen auf Champignon-Risotto und einen Hot Lava Cake mit Vanilleeis. Alles verdammt lecker!
Tag 2: Schlachtung und Zerlegung
Am zweiten Tag stand zuerst der Besuch beim Schlacht- und Zerlegebetrieb der Firma “Socopa” an. Erreicht haben wir diesen nach etwa 30 Minuten, auch für das Vieh entstehen keine wesentlich längeren Transporte: Durch mehrere Niederlassungen bzw. Schlachthäuser (besonders im Osten Frankreichs) entfallen die langen und stressigen Transportwege laut Firmensprecher größtenteils, weil in Zentral- und Südfrankreich andere Konkurrenten die Regionen beliefern. Nach der Vorstellung mit vielen Zahlen und Fakten im Bürotrakt von Socopa stand dann ein Garderobenwechsel an: Hose, Stiefel, Jacke, Mütze und Helm wurden über die Straßenkleidung gezogen. Hinaus aus den Büroräumen, hinein in den gekühlten Zerlegebetrieb.
Kurz zur Vorgeschichte: Bei der Anreise zum Zerlegebetrieb wurden wir schon von Ingmar Rauch und Dirk Bussmann, den treibenden Kräften hinter Chateau Boeuf, darauf hingewiesen, dass das Fotografieren an vielen Stellen verboten sei. Man fürchte bei Socopa, dass das Handwerk insbesondere durch Vegetarier weiter in Verruf gebracht werden könnte. Angeblich gab es diese Erfahrung schon bei Socopa, ich konnte das leider weder nachvollziehen noch nachprüfen, akzeptierte aber natürlich diese Ansage. Es wurden zwar sofort Pressefotos im Bedarfsfall angeboten, die sind aber für einen ehrlichen und ungeschönten Bericht keine Alternative. Also ging ich nach der Vorstellung und vor der eigentlichen Führung mit dem Betriebsleiter kurz in einen freundlichen Dialog und erkärte ihm die Umstände, sodass das “Fotoverbot” etwas gelockert wurde. So konnten wir z.B. Aufnahmen in den Kühlräumen mit den Rinderhälften machen, die eine Woche nach der eigentlichen Reise nochmal zum pikanten Thema wurden – Dazu unten mehr.
Vorarbeiten
Was wir aus nachvollziehbaren Gründen nicht fotografieren durften, war die erste Produktionshalle, die wir im Zerlebetrieb betreten haben: Leblose Rinder, aufgehangen an ihren Hinterläufen, fuhren kurz nach dem Bolzenschuss und dem Luftröhrenschnitt an der Decke in den Raum herein. Kein Lebenszeichen mehr, kein Zucken, nur noch wenig tropfendes Blut aus dem Hals: Für Fleisch sterben nunmal Tiere, daraus wurde kein Geheimnis gemacht und nichts war geschönt. Fotos waren hier aber, wie gesagt aus guten Gründen, nicht erlaubt. Einer meiner Gedanken bei diesem Anblick war sogar “Vielleicht hängt da ja einer der Jungbullen, die gestern noch meine Hand abgeschmatzt haben” – Ein mulmiger Gedanke.
Die leblosen Tiere fuhren also in den Raum, wo sie zuerst gehäutet wurden. Dann folgte das Abtrennen des Kopfes und die Entfernung der Innereien. Wenige Schritte weiter teilte ein Arbeiter das Rind mit einer Säge der Länge nach; in weniger als 3 Minuten wurde aus dem lebenden Tier ein Produkt. Die Rinderhälfte fuhr dann aus dem Raum und wurde im anliegenden Kühltrakt zwei Tage heruntergekühlt. Viele der Anwesenden hatten bisher noch keinen so “nahen” Umgang mit ihrem Fleisch, zumindest ließ das die ein oder andere Reaktion erahnen.
Metzgerhandwerk
Wirkte der erste Teil nach der Schlachtung noch eher wie “Akkordarbeit”, sehe ich nach den Kühlkammern in der Zerlegung unzählige Metzger, die lediglich mit Messer und Wetzstein bewaffnet die bis zu 120 Kilo schweren Rinderhälften in sogenannte “Pistolen” (Hinterlauf samt Rücken einer Rinderhälfte) und Vorderviertel (Rippen und Vorderlauf) zerlegen. Kein Fließband, keine hydraulischen Hebeelemente, keine Haken von der Decke – Alles entsteht in echter Handarbeit, wie noch vor 200 Jahren. In deutschen Zerlegebetrieben vergleichbarer Größe ist die Zerlegung i.d.R. Fließbandarbeit, bei der ein Mitarbeiter jeden Tag mehrere tausend male nur einen bestimmten Schnitt macht.
In diesem Moment war mir auch klar, warum in der Unternehmensvorstellung gesagt wurde, dass Metzger bei Socopa durchschnittlich über 3000 EUR brutto verdient: Verglichen mit den eigentlich branchenüblichen ca. 2000,- EUR brutto in Frankreich, wird bei Socopa die immense körperliche Belastung angemessen bezahlt. Zum Vergleich: In Deutschland verdient eine ausgebildete Kraft im Schnitt nur rund 2300 EUR brutto.
Leider war das Fotografieren der Handarbeit nicht gewünscht – Auf Nachfrage wurde auch hier auf die Gefahr von negativem Feedback verwiesen. Ich muss zugeben, dass ich diese Aussage an diesem Punkt noch immer für etwas übersensibel hielt. Im Nachgang habe ich aber dann Erklärungen des Unverständnis französischer Herkunft über das Fotomaterial via Instagram erhalten: Ein Selfie aus den Kühlräumen, welches ich oben bereits angesprochen habe, war einer offensichtlichen Vegetarierin ein Dorn im Auge. Auch wenn ich persönlich gerne mehr Details und Arbeitsschritte gesehen hätte, habe ich ein paar Wochen nach der Reise doch Verständnis für das “übervorsichtige” Verhalten der Firma Socopa. Mit einer Demonstration der fertigen Zuschnitte und Tipps zu Zubereitungsmöglichkeiten endete dann der Besuch im Zerlegebetrieb.
Als nächste Station sollten wir einen weiteren Bauernhof besuchen, dessen Bauer seinen Fokus auf die Zucht von Limousin und Charolais gelegt hat. Die Stimmung bei der Anreise war schon merklich ruhiger, als bei den anderen Fahrten – Auch bei mir musste das Gesehene etwas sacken.
Der zweite Bauernhof
Der letzte Termin der Chateau Boeuf-Reise sollte dann ein weiterer Bauernhofs im Umland von Le Mans sein. Auch hier verfestigte sich mein Eindruck über die ungeschönte Aufzucht, den ich auch am Vortag gewonnen hatte. Alle Tiere waren auch auf diesem Hof an den Beinen ziemlich sauber, sie lagen also nicht aufgrund von Platzmangel und/oder schlechter Bodenreinigung im eigenen Kot. Ein Zeichen von beständig sauberer Haltung. Neben optisch feststellbaren Abweichungen der Futtermittel konnte ich eigentlich sonst keine Unterschiede ausmachen: Die Färsen und Kälber sorgten auf den umliegenden Wiesen für das schöne Idyll, die Jungbullen standen wegen des jüngeren Schlachtalters zum Teil nach rund einem Jahr von der Herde getrennt im Stall. Da werden sie gemästet und nach etwa 15-18 Monaten zur Schlachtung gegeben. Färsen hingegen werden nach frühestens 18 bis 22 Monaten der Verarbeitung zugeführt. Auf dem Markt werden aber auch Kühe (nach dem ersten kalben) mit bis zu drei Jahren Lebenszeit als “Färsen” durch; auch die ganz alten Muttertiere werden irgendwann geschlachtet und bringen einen tollen Fleischgeschmack hervor. Bei den Spaniern nennt man das „Txogitxu“, der Ludwig nennt seine Oma-Kuh in Anlehnung auf den englischen Begriff „Grandma“ hingegen „Grand Mu“. ;-)
Wie beim Hof am Vortag ist das Schlachthaus nur rund 30 Minuten entfernt. Durch die Schlachtung und Zerlegung in der unmittelbaren Nähe kann man dem Fleisch sogar einen “regionalen” Charakter unterstellen, denn lange Tiertransporte entfallen. Das ist auch der Fleischqualität dienlich, denn Stress vor der Schlachtung ist neben dem moralischen Aspekt auch für den Geschmack nicht von Vorteil. Sind die Tiere unruhig, ist der pH-Wert nach der Schlachtung niedrig und der Säuregehalt im Fleisch somit hoch – Das nimmt das buttrige Aroma vom Rind und verändert den Geschmack schon vor der Reifung im Beutel ins steinige und metallische.
Mit der Besichtigung endete der vorletzte Punkt auf der Agenda der Reise, und es gab noch immer kein Rindfleisch! Doch das sollte sich bald ändern. Eine kleine Grillsession mit verschiedenen Zuschnitten stand im Hotel an, sodass ich mir auf dem Rückweg ein paar erste Gedanken zum Gesehenen machen konnte.
Hält Chateau Boeuf, was es verspricht?
Am vorderen Glied der Produktionskette von Chateau Boeuf kann ich an den Lebensumständen für die Tiere keine negativen Aspekte ausmachen. Wenn alle Höfe, die für Chateau Boeuf liefern, wirklich den von uns besichtigten ähneln, gibt es in meinen Augen nichts zu beklagen. Die Bullen haben auch nach der Trennung von der Herde ein gutes Leben, obwohl etwas mehr Auslauf (auch im wirtschaftlichen Widerspruch) vor und während der Mast natürlich im Sinne des Tierwohls wünschenswert wäre. Keins der Tiere war für mich sichtbar verletzt, was den Rückschluss zulässt, dass es keine Rangkämpfe um Stell- und Liegeflächen gibt – Den Jungbullen scheint der vorhandene Platz also auszureichen.
Die Ställe und Tiere waren sehr sauber, man kümmert sich also nicht nur einmalig wegen der Kameras um die Stallhygiene: Wäre es sonst dreckig, wären auch die Läufe und Bäuche vom Liegen im eigenen Dung viel stärker verschmutzt. Die Futtermittel sind ordentlich und werden dem Anspruch an die ausschließliche pflanzliche Ernährung gerecht. Das ist nicht ganz unwichtig, denn Kannibalismus (z.B. durch die Fütterung von Tiermehl) kann schwerwiegende Krankheiten auslösen.
Lobenswert finde ich auch die kurzen Wege vom Bauern bis zum Schlachthaus, das erspart den Rindern viel Stress und verbessert die Fleischqualität. Die Schlachtung und Zerlegung erfolgt in professioneller Handarbeit bei Metzgern, die nicht für Hungerlöhne über Subunternehmer angekarrt werden, um die Gewinnspanne noch größer zu machen – Auch das zählt für mich zur “Nachhaltigkeit”. Das Fleisch wird fachmännisch zugeschnitten und küchenfertig pariert, vakuumiert und nach einer auf die unterschiedlichen Cuts abgestimmten Reifedauer an die Fleischtheken vieler REWE-Geschäfte ausgeliefert.
Chateau Boeuf im Supermarkt
Alle Stücke sind sorgfältig pariert, was gerade für Fans von magerem Fleisch optisch sehr ansprechend wirkt. Ich bevorzuge für den Hausgebrauch zwar saftigeres und zarteres Färsenfleisch mit einer möglichst starken Marmorierung, das ist aber Geschmackssache und nimmt den Chateau Boeuf-Produkten auch keinesfalls ihre Daseinsberechtigung. Freunde von wenig marmoriertem Steak werden hier definitiv glücklich und kaufen einen besseren, intensiveren Geschmack, als bei vielen vergleichbaren deutschen Produkten.
Für mich ist allerdings ein Kritikpunkt, dass viele Zuschnitte auch auf Bestellung an der Fleischtheke nur halbiert zu haben sind. Für fast alle BBQ-Gerichte benötige ich ganze Stücke, wie z.B. die Brust für ein Brisket oder das Zungenstück (Nacken) für Pulled Beef. Ehrlicherweise muss ich aber auch sagen, dass mageres Jungbullenfleisch für fettige Barbecue-Gerichte oft nicht die beste Wahl ist. Für das edle Kurzgebratene zwischendurch gibt es aber tolle Zuschnitte, wie z.B. das Bürgermeisterstück, das Roastbeef, das Entrecote / RibEye und natürlich auch das Filet. Über das Etikett in der Verpackung kann man die Rasse und das Schlachtdatum erfahren, eine Rückverfolgung ist bis zur Gruppe auf dem Bauernhof möglich.
Was ich nicht beurteilen kann ist, wieviele der liefernden Höfe in etwa den vorgefundenen Begebenheiten ähnlich sind. Auf der offiziellen Webseite findet man die Aussage, dass über 10.000 Landwirte aus überwiegend familiären Betrieben kommt – Die Distanzierung von “industrieller” Zucht und Haltung und die erklärte Nähe zu ländlichen, kleinen Betrieben wirkt für mich nach den Erlebnissen aber authentisch. Die angegebenen ständigen unabhängigen Kontrollen sind für mich in Frequenz und Inhalt nicht prüfbar, bei den heutzutage hohen Qualitäts- und Hygienestandards (insbesondere beim Import von Fleischwaren) mache ich mir da aber ehrlich gesagt auch weniger Sorgen. :-)
Und der Geschmack?
Vor dem Rückflug nach Deutschland konnten wir dann endlich ein paar Stücke vom Chateau Boeuf-Fleisch probieren. Dafür habe ich Dirk am Grill unterstützt und Onglet, Filet, Entrecote und ein Karree abgegrillt. Leider fehlen deswegen auch ein paar Fotos. ;-) Geschmacklich war das richtig tolle Ware, vorallem für Jungbullenfleisch war die Intensität des Rinderaromas toll ausgeprägt. Mein Favorit des Abends war das Onglet, das auch als spontanes Tatar sehr gut funktioniert hat. Tolles Fleisch!
Mein Fazit
Wohlgesättigt nach Unmengen von Fleisch habe ich den Rückflug angetreten und kam im Hinblick auf diesen Artikel mit einem guten Gefühl wieder in Deutschland an: Fleisch aus dem Supermarkt zu loben ist schließlich etwas, was man generell wohl nicht oft machen kann.
Am Ende bleibt ein sehr guter Eindruck von Chateau Boeuf: Die Tiere haben ein gutes Leben, werden in Handarbeit zerlegt und kommen mit einer (verglichen mit deutschen Jungbullen) sehr guten Qualität und fairen Preisen in REWE-Märkte. Ich finde da eigentlich keinen Haken. Ein inzwischen zuhause getestetes Filet vom Charolais war auch super lecker, eine Oberschale für Beef Jerky war auch ein sehr guter Griff; die Qualität scheint konstant hoch zu sein. Ich kann nur sagen, dass ich bei den Produkten von Chateau Boeuf ein gutes Gefühl und etwas leckeres auf der Zunge habe.
Was denkt Ihr? Habt Ihr schon Erfahrungen mit Chateau Boeuf gemacht? Ich freue mich auf Eure Antworten! :-)
Hallo,
wir haben heute zum ersten Mal Chateau Boeuf als Sauerbraten gehabt. Das macht von Geschmack und Konsistenz her sogar dem von Maria Laach (Bio und Freiland) echte Konkurrenz.
Hallo Thomas,
Bin bei der Suche nach Infos über dieses Rindfleisch von Chateau Boeuf bzw Rewe auf deiner Seite gelandet, und sehr zufrieden mit deinem Artikel. Herzlichen Dank dafür!
Selbstverständlich hoffe ich dass die beiden Höfe keine gefakten Vorzeigehöfe sind, aber es hört sich nicht danach an.
Ich selbst esse nur sehr selten Fleisch (ein seit 35 J. Fast-Vegetarier) und dann ausschließlich von kleineren Bioläden mit angegliederten Höfen bzw von Biometzgern (und auch da muss man genau hinschauen), aber ich brauche regelmäßig Fleisch für meine Katzen und bekomme nicht immer was nötig ist. Da ist das Fleisch der Rinder von Chateau boeuf eine tolle Alternative, denn den Tieren scheint es recht gut zu gehen. Erleichtert sehr zu wissen wo ich Fleisch kaufen kann, nochmal danke für deinen Einsatz! LG
P.S. Meine Miezen fressen es sehr gerne (und nein, sie fressen bei weitem nicht jedes Fleisch!)
Danke für diesen schönen Kommentar, Bettina. Ich glaube übrigens, dass die Höfe wegen der Lage ausgewählt wurden. Ich habe in den Jahren schon viele Höfe gesehen und muss sagen: Da war nichts besonderes zu finden, was man so oder so ähnlich nicht auch auf anderen Höfen findet. Auch nach den paar Jahren stehe ich noch immer zu 100% hinter dem Text, und da ist schön wenn er auch noch immer anderen hilft, ihren Fleischkonsum bewusster zu gestalten. Deswegen nochmal Danke und alles Gute für Dich und Deine Katzen. :-) LG, Thomas
Hallo…
Habe gerade den Artikel gefunden und kann ihn gut gebrauchen für meine Diplome Arbeit zum fleischsommeliere.
Ist das den eine Marke oder ein gütesiegel?
Und wie genau sieht denn die Schlachtung aus?
Was verbirgt sich hinter dem Namen Chateau boeuf?
Über Antwort würde ich mich sehr freuen.
LG
Hallo Anika,
es handelt sich um eine Marke, wörtlich übersetzt „Schloss Rindfleisch“. Dahinter verbirgt sich eine Eigenmarke von R&S Wurstwaren, die an REWE liefert. Die Schlachtung läuft konventionell ab, alle Informationen dazu findest Du auch im Text.
LG
Danke für den guten Beitrag! Ich war immer auf der Suche nach Fleisch aus artgerechter Haltung. Ich kaufe schon länger dieses Fleisch, weil es im REWE Markt artgerecht präsentiert wird. Nun wollte ich auf diesen Weg wissen, inwiefern dies der Realität entspricht.
Wie Sie, komme ich auch aus der Eifel und war als Kind auf Bauernhöfe…
Massentierhaltung ist etwas sehr Schreckliches und wir alle schauen zu – bewusst und unbewusst.
Es muss sich endlich etwas ändern! Ich habe früher oft zu SB Ware gegriffen, wie viele war mir das nicht bewusst.
Alleine die langen Transporte innerhalb / außerhalb der EU in Türkei / Nordafrika ist furchtbar. Die Tiere haben tagelang nichts zu trinken, werden zertrampelt …. Abgesehen davon werden sie auf brutale Weise gequält. Tiere erleben das bewusst mit, sie haben alle Verstand und Seelen!!
Ich gebe LIEBER mehr aus für ein Stück Fleisch aus ARTGERECHTER Haltung und esse dann nicht jeden Tag Fleisch, was zudem auch sehr ungesund ist. Natürlich ist es nicht schön, wenn sie geschlachtet werden, das will man auch nicht beschönigen.
Hallo Sophie! Ich stimme Dir in allen Punkten vollkommen zu und freue mich sehr, dass Dir der Artikel geholfen hat. Danke für den Kommentar und weiterhin guten Hunger mit ordentlichem Fleisch. ;-) VG
Vielen Dank für den informativen und guten Artikel. Ich hinterfrage nämlich auch alles, immer. Das Kalbsschnitzel und auch das Tartar sind super. Da muss nicht erst ein Liter Wasser rausgebruzzelt werden. Wir werden uns nun durch die anderen Teile kosten. Leider haben nicht alle REWE das Fleisch, aber der weitere Weg lohnt in jedem Fall! Der Geschmack lässt glückliche Tiere erahnen.
Hi Patrick, Danke für Deine positive Rückmeldung zum Text! Dass man nicht alles immer bekommt, ist für mich sogar ein Qualitätsmerkmal – Massenware ist schließlich immer verfügbar. ;-) Außerdem: Ein wenig „gezwungene“ Flexibilität in der Küche kann ja auch interessant sein. ;-) VG
Bin seit ca. 2 Monaten totaler Fan der Chateau Boeuf Produkte aus dem Rewe Supermarkt. Habe Filet, Entrecote, Roastbeef und noch etwas anderes mehrfach getestet. Es ist einfach nur köstlich und superzart. Bis dato habe ich überwiegend Biofleisch aus dem Biosupermarkt oder vom Biobauern auf dem Wochenmarkt gekauft.
Definitiv gehört ab jetzt auch das Chateau Boeuf von Rewe mit in den Einkaufskorb. Als absoluter Frankreich-Esskultur-Fan bin ich total glücklich, dass es dieses Fleisch jetzt auch bei uns gibt.
Der Artikel ist sehr informativ. Erst hatte ich Angst, dass es vielleicht doch negative Aspekte gibt, weil ich Chateau Boeuf so gerne esse, aber ich bin zum Glück eines besseren belehrt worden. Danke dafür.
Hi Bettina, es wird immer irgendwo minimal negative Aspekte geben, auch beim Bio-Bauern finden wir zwei bestimmt Begebenheiten, die wir uns anders wünschen werden. Wichtig ist der Schritt in die richtige Richtung, und der ist mit den Produkten für mich mich in jedem Fall gemacht. Lass es Dir schmecken! :-) VG
Sehr schön geschriebener Artikel, bei dem Du genau die richtigen Punkte angesprochen und beleuchtet hast! Danke sehr!!
Danke, Claus! VG